Kinderspital Bethlehem
Das Kinderspital Bethlehem
(englisch und vor Ort genannt Caritas Baby Hospital) wurde 1952
von Salettinerpater Ernst Schnydrig MS gegründet. Das Caritas
Baby Hospital befindet sich in Bethlehem/besetztes
palästinensisches Gebiet. Es ist das einzige ausschliesslich auf
Kindermedizin spezialisierte Spital im Westjordanland. Behandelt
werden alle Kinder bis ins Alter von 14 Jahren, unabhängig ihrer
Region und sozialen Herkunft. Das heutige Spitalgebäude wurde im
Jahr 1978 errichtet und eingeweiht.
Das Caritas Baby Hospital ist ein nichtstaatliches, von einem
eigenständigen Verein betriebenes Kinderspital, das aus
marginalen Spitalgebühren und Spendengeldern finanziert wird. Es
ist das einzige Kinderspital in Palästina mit aktiver Einbindung
der Mütter in die Behandlung der Kinder. Einzugsgebiet des
Caritas Baby Hospital ist das südliche Westjordanland, die
Gegend zwischen Bethlehem und Hebron.
Trägerverein des Kinderspitals ist die Kinderhilfe Bethlehem.
Die Kinderhilfe Bethlehem ist ein internationales Hilfswerk,
dessen Hauptaufgabe der Betrieb des Caritas Baby Hospital ist.
Die Spendengelder werden durch das Hilfswerk generiert.
Das Caritas Baby Hospital arbeitet vor Ort organisatorisch
unabhängig von Caritas-Verbänden. Der Name „Caritas“ geht auf
die Entstehungsgeschichte und die karitative Ausrichtung des
Spitals zurück.
Einzugsgebiet des Caritas Baby Hospital ist das südliche Westjordanland (die Gouvernements Bethlehem und Hebron). Laut Angaben des palästinensischen Statistikbüros leben dort schätzungsweise 352‘000 Kinder unter 14 Jahre (Stand 2016).
Unter dem israelisch-palästinensischen Konflikts leidet im Westjordanland die Wirtschaft. Der Aufbau eines guten Gesundheitswesens ist dadurch erschwert. Das Bruttoinlandprodukt beträgt in Palästina ein 20stel des europäischen, und das Gesundheitssystem ist in prekärem Zustand. Pro 1000 Einwohner stehen in Palästina nur 1,26 Spitalbetten zur Verfügung. 36,5 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre. Die individuelle Armutsrate im Westjordanland beträgt gemäss dem palästinensischem Statistikbüro 13,9 Prozent - in den Flüchtlingscamps in ganz Palästina sogar 45,5 Prozent (Stand 2017). Besonders Kinder und Kleinkinder sind von dieser Misere und deren Auswirkungen (Armut, Hunger, Kälte, mangelhafte hygienische Verhältnisse, dürftige Wasserversorgung) betroffen. Die Kindersterblichkeit ist 4-5-mal höher als in Europa.
Die häufigsten Krankheitsbilder sind: Atemwegserkrankungen, virale Infekte und Lungenerkrankungen (besonders bei kalten Temperaturen im Winter), Magen-Darm-Erkrankungen, angeborene Missbildungen sowie genetisch bedingte (neurologische oder metabolische) Krankheiten.
Der Initiant und Gründer dieses Spitals verfolgte das Ziel, allen Kindern, die unter diesen prekären Zuständen leiden, eine Grundversorgung zu sichern. Aus dieser Situation heraus schrieb er in das Grundsteindokument:
„Wir sollen «in dem so sehr geplagten Heiligen Land eine Friedensbrücke sein. Eine kleine Brücke unter den Friedensbrücken, die noch nötig sind, bis das Heilige Land für Juden, Christen und Muslime, für alle Kinder Abrahams, ein gottgelobtes und glückliches Land sein darf.» Wir wollen einen Spital errichten, «damit am Geburtsort Jesu keinem Kind medizinische Hilfe verwehrt bleibt.»“
Im Jahr 1952 reiste der Walliser Pater Ernst Schnydrig ins Heilige Land. Unterwegs im Auftrag der Schweizer Caritas sollte er sich ein Bild der Lage vor Ort machen. In Bethlehem sah er sich mit der grossen Not der palästinensischen Flüchtlinge konfrontiert, die nach dem Unabhängigkeitskrieg bzw. der Nakba vertrieben wurden.
Er traf auf Hedwig Vetter, eine Mitarbeiterin der Schweizer Caritas, die sich vor Ort um bedürftige Kinder kümmerte. Gemeinsam mit dem palästinensischen Arzt Antoine Dabdoub entschieden sie sich dafür, medizinische Versorgung für kranke Kinder anzubieten. Sie mieteten ein paar kleine Zimmer in der Altstadt von Bethlehem und richteten eine behelfsmässige Notfallstation ein.
Zurück in Europa trat Pater Schnydrig in die Dienste des Deutschen Caritasverbands und setzte sich sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz für die finanzielle Unterstützung dieses Vorhabens ein. 1963 entstand ein Trägerverein für das Spital, dessen heutiger Name Kinderhilfe Bethlehem lautet (früher: «Verein Caritas-Kinderhilfe Bethlehem»). Am 26. April 1978 konnte ein eigenes Spitalgebäude für das Caritas Baby Hospital eingeweiht werden. Das Caritas Baby Hospital hat sich seither in medizinischer und pflegerischer Sicht kontinuierlich weiterentwickelt und ist auch heute noch eine wichtige Anlaufstelle für Kindermedizin im Westjordanland.
2008 wurde ein weiterer Aus- und Umbau gestartet. Statt bisher 30 000 Kinderbehandlungen sollte die Kapazität auf bis 50 000 ausgedehnt werden. Die Einweihung dieses weiteren Ausbaus am 23. September 2012 fiel zusammen mit der Feier zum 60. Bestehen des Spitals. Mit dieser Ausweitung des Angebotes konnte auch die Qualität der Medizin und Pflege sowie die Arbeit mit den Müttern der Patienten verbessert werden. Durch Kooperationen gelang es, Fachkräfte zu gewinnen, die auch im Kinderspital Spezial-Sprechstunden abhalten.
Chefärztin des Kinderspitals ist Dr. Hiyam Marzouqa.
Die meisten kleinen Patienten im Caritas Baby Hospital werden ambulant behandelt. Eltern kommen unangemeldet mit ihren kranken Kindern zur Konsultation. Die Zahl der ambulanten Behandlungen ist seit 2011 stetig gestiegen. Eine Besonderheit des Spitals sind die kindergerechte Einrichtung der Behandlungszimmer sowie der ganzheitliche Behandlungsansatz.
Für manche medizinischen Fachgebiete, u. a. für pädiatrische Neurologie und Pneumologie, werden Spezialsprechstunden angeboten, die regelmässig und immer am gleichen Tag stattfinden.
Für die stationäre Aufnahme von Kindern stehen im Caritas Baby Hospital 82 Betten zur Verfügung. Diese sind auf zwei Allgemeinstationen, eine Neonatologie und auf eine Intensivstation verteilt.
Seit 2010 ist eine Pflegestation für Neugeborene eingerichtet. Auf der Neugeborenenstation werden Früh- und Neugeborenen, mit kleineren gesundheitlichen Problemen, klinisch untersucht. Sie ist angeschlossen an eine Neugeborenen-Intensivstation.
Seit 2013 gibt es im Caritas Baby Hospital eine pädiatrische Intensivstation. Dort stehen fünf Betten für Früh und Neugeborene bis zum Alter von drei Monaten zur Verfügung (Stand Ende 2018). Neben den Frühchen werden dort auch schwerkranke Babys behandelt. Die häufigsten Fälle sind Neu- bzw. Frühgeborene mit vorübergehender Tachypnoe (überhöhter Atemfrequenz), Atemnotsyndrom und Mekoniumaspiration (Eindringen von Mekonium in die Lunge).
Vier Betten auf der Intensivstation sind für Kinder, die älter als drei Monate sind, eingerichtet (Stand Ende 2018). Hier liegen v. a. Kinder, die an Muskelschwäche, schweren Atemwegs- und Stoffwechselerkrankungen, akutem Nierenversagen, Herzproblemen und anderen chronischen Krankheiten leiden. Bei Patienten auf der Intensivstation ist auch palliative Medizin von grosser Bedeutung.
Schwierige medizinischen Entscheidungen werden von der Ethikkommission des Caritas Baby Hospital getroffen.
Das Kinderspital Bethlehem bietet neben allgemeiner Pädiatrie insbesondere die Spezialisierungen an, für die in der Region eine besonders grosse Nachfrage besteht: Intensivmedizin (s. oben) sowie pädiatrische Neurologie (Krankheiten des Nervensystems) und pädiatrische Pneumologie (Lungenheilkunde) an.
Das Caritas Baby Hospital verfügt über ein spitaleigenes Labor, dank dem viele medizinische Tests intern durchgeführt werden können. Das Labor ist sehr engagiert in der Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen und führte in der Vergangenheit auch wissenschaftliche Studien durch. Beispielsweise wurde die Wirkung das Rota Virus untersucht und aufgrund der Resultate entschied sich das palästinensische Gesundheitsministerium, eine Pflichtimpfung gegen das Rota Virus einzuführen.
Das physiotherapeutische Angebot richtet sich an Kleinkinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und ist Teil des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, den das Caritas Baby Hospital verfolgt. Im Caritas Baby Hospital wird zwischen vier Therapieformen unterschieden: klassische Physiotherapie, Ergotherapie, Lungenphysiotherapie und Sprachtherapie.
Für Säuglinge, Kinder und Jugendliche mit Behinderung besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Rehabilitations-Netzwerk Lifegate (Tor zum Leben) in Bait Dschala.
Seit der Gründung des Caritas Baby Hospital werden Mütter eng in die Behandlung der kranken Kinder einbezogen und pflegerisches Wissen an sie vermittelt. Für die Dauer der Hospitalisierung ihrer Kinder, können die Mütter in einer spitaleigenen Abteilung übernachten. Sozialarbeiterinnen beraten die Frauen dort zu medizinischen, psychologischen und hygienischen Themen und organisieren Diskussionsgruppen.
Bei Fragen oder Schwierigkeiten steht den Familien der Patienten der Sozialdienst zur Verfügung. Nicht alle Familien im Westjordanland können sich die Spitalgebühren leisten, obwohl diese vergleichsweise gering bzw. nicht kostendeckend sind. In solchen Fällen klärt der Sozialdienst den Erlass der Spitaltaxen ab.
Das Caritas Baby Hospital bietet zudem aufsuchende Sozialarbeit an. Sozialarbeiterinnen besuchen bei Bedarf die kleinen Patienten und ihre Familien zu Hause. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität im südlichen Westjordanland ersparen sie den Familien den aufwändigen und kostspieligen Weg ins Krankenhaus.
Für Eltern und Familienangehörige von Kindern mit chronischen Erkrankungen – z. B. Epidermolysis bullosa oder zystischer Fibrose – werden im Caritas Baby Hospital Selbsthilfegruppen angeboten. Organisiert und betreut werden diese vom Sozialdienst des Spitals.
Mehrere Angestellte des Caritas Baby Hospital bilden gemeinsam die «Band of smile» (Schmunzelgruppe). Als Clowns verkleidet besuchen sie die hospitalisierten Kinder und spenden ihnen Trost. Das vermittelte Wohlbefinden aktiviert die Selbstheilungskraft der Kinder.
Ende 2011 wurde der Kindergarten so weit vergrößert, dass bis 28 Kinder von vier ausgebildeten Personen betreut werden können. Untergebracht sind vorwiegend Kinder von Spitalmitarbeiterinnen. Geplant ist eine weitere Vergrößerung, damit künftig auch berufstätige Eltern, die nicht im Spital tätig sind, ihre Kinder hier tagsüber unterbringen können.
Im Annexgebäude des Spitals befindet sich eine Tagesstätte für die Kinder der Angestellten des Caritas Baby Hospitals. Ein Grundsatz des Spitals ist es, den Angestellten gute Arbeitsbedingungen in einem schwierigen Umfeld zu bieten und Frauen, gerade auch in Führungspositionen, zu fördern. Aus diesem Grund ist das Angebot einer Kinderbetreuung wichtig.
Das Fortbildungszentrum des Caritas Baby Hospital organisiert regelmässig interne Weiterbildungen und Tagungen für die Angestellten.
Von 1970 bis Ende 2014 wurde eine Pflegeschule betrieben. Darin wurden palästinensische Schüler im Beruf der Krankenpflege ausgebildet. Anschließend konnten sie im Kinderspital oder einem anderen Spital angestellt werden. Krankenschwestern wurden zur Weiterbildung in Notfallsituationen an die Amerikanische Universität Beirut gesendet.
Das Caritas Baby Hospital ist Teil des lokalen palästinensischen Gesundheitswesens und kooperiert, wo möglich, mit dem Gesundheitsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde. Sein Angebot ist Bestandteil der medizinischen Basisversorgung mit und das Spital steht für Kompetenz in der Kindermedizin. Mit rund 250 Voll- und Teilzeitbeschäftigten gehört das Kinderspital zu den wichtigsten Arbeitgebern in Bethlehem.
Ein Austauschprogramm von Ärzten und Pflegepersonal besteht mit dem Gaslini Hospital in Genua, die Pädiatrie einer Klinik in Padua sandte Personal zur Ausbildung in Kinderintensivpflege. Auch mit dem Bikur Holim Hospital besteht eine enge Zusammenarbeit. Mit einem Videokonferenzsystem können sich die Mitarbeiter des Kinderspitals mit anderen Fachleuten austauschen. Der Erfinder der Hüftgelenk-Sonografie bei Säuglingen, Reinhard Graf, gab Kinderärzten aus dem Westjordanland Workshops zur frühzeitigen Erkennung und Behebung der Hüftdysplasie.
In Notfällen hilft das Kinderspital anderen palästinensischen
Spitälern aus mit z. B. Lieferung von Medikamenten und Geräten
oder kooperiert mit Flüchtlingswerken.
Spendenkonto
der Kinderhilfe Bethlehem
Winkelriedstrasse 36
Postfach
6002 Luzern
Postkonto 60-20004-7
IBAN: CH17 0900 0000 6002 0004 7